Qualitäten und Potenziale der Freiräume

Vielfältige Funktionen der stadtregionalen Freiräume

Gerade in den Stadtregionen gewinnen die siedlungsnahen Freiräume an Bedeutung für die Erholung der Stadtbevölkerung; ihre Frequentierung nimmt stetig zu. Im Zuge der wachsenden Freizeitmobilität während der Corona-Pandemie erlebten die siedlungsnahen Freiräume einen ungeahnten Boom. Zugleich müssen die Stadtlandschaften wichtige Funktionen im Rahmen der Klimaanpassung und Sicherung der Biodiversität erfüllen. Gerade in den „Alltagslandschaften” der Stadtränder treffen Erholungsansprüche, Landwirtschaft, Infrastrukturbedarf, Bauerwartungsland und zu schützende Freiraumfunktionen aufeinander.

1. Freiräume bieten vielfältige Ökosystemleistungen und sind produktive Räume für die Daseinsvorsorge

Die Freiräume der Stadtregionen erfüllen vielfältige ökosystemare Funktionen und bilden die Grundlage für zentrale Freiraumnutzungen, unter anderem für die Land-, Wald- und Rohstoffwirtschaft. 

2. Freiräume sind Schlüsselräume der Klimaanpassung

Stadtregionale Freiräume übernehmen wichtige Ausgleichsfunktionen für die Klimaanpassung – sie mildern Hochwassergefahren, können als „Schwamm-Landschaften“ Starkregengefahren puffern und wirken der Überhitzung verdichteter Siedlungsbereiche entgegen.

3. Freiräume leisten einen Beitrag zum natürlichen Klimaschutz

Projekte zum natürlichen Klimaschutz führen vor allem bei gezielter Wiederbewaldung und Wiedervernässung zur ökologischen Aufwertung von Freiräumen.

4. Blaue Infrastrukturen bleiben eine wichtige Gestaltungsaufgabe

Stadtregionen verfügen über beträchtliche Anteile an intakten Auen und Fließgewässersystemen sowie großen Renaturierungspotenzialen im Kontext von Klimaanpassung und multifunktionaler Freiflächenentwicklung. Viele Stadtregionen können erheblich zur Reaktivierung der Auen und Flüsse beitragen.

5. Waldumbau ist eine Chance für mehr Resilienz

Wälder zeigen teilweise erhebliche Schäden durch Hitzestress und Wassermangellagen sowie Schädlingskalamitäten. Gleichzeitig eröffnet der Wiederaufbau geschädigter Wälder vielfältige Potenziale für eine resiliente, multifunktionale und naturnahe Waldentwicklung in den Stadtregionen.

6. Landwirtschaft ist eine wichtige Partnerin der Freiraumentwicklung

Als größte Flächennutzerin trägt die Landwirtschaft zur Pflege und Qualifizierung stadtregionaler Landschaften maßgeblich bei. Besonders die (sub-)urbane Landwirtschaft bietet Chancen, regionale Produktion und Landschaftsgestaltung enger zu verknüpfen.

7. Freiräume bieten Raum für die Energiewende

Die Energiewende trägt den Zielen des Klimaschutzes Rechnung, sie benötigt allerdings viel Fläche, um die erforderlichen Leistungen und den Transport zu gewährleisten. Freiräume können der Energiewende Raum geben, auch in den Stadtregionen. Voraussetzung ist eine Begleitung des Ausbauprozesses aus Freiraumperspektive.

8. Schutzgebiete brauchen Pflege und Steuerung

Viele Freiräume der Stadtregionen sind aufgrund ihrer besonderen Qualitäten für den Natur- und Landschaftsschutz als Schutzgebiete ausgewiesen. Neben dem Flächenschutz müssen die Schutzgebiete verstärkt auf Pflege, Besucherlenkung und Bildungsangebote ausgerichtet werden.

9. Stadtregionen bieten erlebbare Landschaften für Naherholung und Naturerfahrung

Landschaften eröffnen vielfältige Möglichkeiten für Erholung und Naturerleben – und damit eine Kontrasterfahrung zur urbanen Dichte. Eine gute Erreichbarkeit über öffentliche Verkehrsmittel und grüne Wege ist dabei entscheidend. Hochwertige und regionaltypische Freiräume sind Identitätsanker in Stadtregionen.

10. Stadtregionen schaffen vernetzte Angebote zur aktiven Mobilität zwischen Stadt und Umland

Eine attraktive Verbindung von Stadt und Umland für aktive Mobilität – etwa über Rad- und Fußwegenetze –reduziert den motorisierten Freizeitverkehr und mindert spürbar die Belastung stark frequentierter Ausflugsziele.

Die stadtregionalen Landschaften als zentrale Erholungsräume der Stadtbevölkerung weisen oftmals eine hohe Vielfalt und besondere Eigenart und Schutzwürdigkeit auf. Der hohe Anteil bedeutsamer Landschaften in Deutschland an den Stadtregionen ist ein Indiz dafür, dass auch in Stadtregionen Landschaften mit besonderen Qualitäten verbreitet und oft mit einer attraktiven Erholungsinfrastruktur ausgestattet sind. Hier besteht eher der Bedarf, den Nutzungsdruck zu reduzieren und „Overtourism” zu vermeiden.

Im Hinblick auf die Vorsorge vor Starkregen- und Hochwasserereignissen sind zum einen die Gewässerauen als natürliche Retentionsräume von besonderer Bedeutung, zum anderen spielt der Wasserrückhalt in der Fläche („Schwamm-Landschaften“) und insbesondere in den Siedlungsgebieten („Schwammstadt“) eine zentrale Rolle.

Stadtregionen verfügen über einen überdurchschnittlichen Anteil an (Alt-)Auen, die jedoch häufig überbaut oder in ihrer ökologischen Funktion stark beeinträchtigt sind. Daraus ergeben sich erhebliche Potenziale zur Aufwertung der Freiräume – insbesondere durch die Reaktivierung von Auen und die Renaturierung von Fließgewässern. Diese Maßnahmen tragen zugleich wesentlich zur Stärkung der Resilienz gegenüber Hochwasserereignissen bei.

Aufgrund ihrer Eigenschaft als natürliche Kohlenstoffsenke und Wasserspeicher sowie potenzielle Emittenten von Klimagasen bei Entwässerung gehört die Wiederherstellung degenerierter Moore zu den prioritären Klimaschutzmaßnahmen. Entsprechend wird im Rahmen der Moorschutzstrategie (BMUV 2022) eine besondere Berücksichtigung von Moorschutz und Moorrestaurierung in der Raumordnung, der Bauleit- und der Landschaftsplanung gefordert. In diesem Kontext können einige Stadtregionen (z. B. Bremen, Oldenburg, Hamburg, Kiel, Berlin, München) gezielte Schwerpunkte einer aktiven, multifunktionalen Freiraumqualifizierung in den Bereichen mit Nieder- und Hochmoorböden setzen. Insgesamt ist der Anteil an Moorböden in den meisten Stadtregionen gering.

Der Anteil und die Verteilung an natur- und landschaftsbezogenen Schutzgebieten stellen ein Indiz für die Qualität und Eigenart der Freiräume und Landschaften dar. Zugleich sind Schutzgebiete wichtige Instrumente der Freiraumsicherung. Zur Auswertung der Schutzgebietsverteilung und der Schutzstärke wurde eine Überlagerung unterschiedlicher Schutzgebietskategorien des Bundesnaturschutzgesetzes vorgenommen. Die Schutzinstrumente wurden dabei aufgrund ihrer unterschiedlichen Strenge und Überwindbarkeit unterschiedlich gewichtet. Die Gewichtungen aller überlagernder Schutzgebiete auf einer Fläche ergibt einen Summenwert („Schutzstärke”). Da die Schutzgebietskategorien nur bedingt miteinander vergleichbar sind, lässt sich daraus allerdings nur ein Eindruck der Stärke des Freiraumschutzes über die naturschutzfachlichen Schutzinstrumente erzielen. Im Ergebnis ist zu erkennen, dass die Stadtregionen durchaus erhebliche Anteile an Schutzgebietsflächen aufweisen, die jedoch meist keine besonders hohen Schutzstärken aufweisen. 

Für die Flächensicherung der großflächigen Freiräume werden in der Regel Landschaftsschutzgebiete als Schutzkategorie angewendet. Eine aktive Landschaftsgestaltung und -pflege erfolgt jedoch meist nur für höhere Schutzstärken (Natura 2000-Gebiete, Naturschutzgebiete, Nationalparks) mit dem Fokus auf die Biodiversität. Als aktive, gestaltende Instrumente sind Biosphärenreservate und Naturparke hervorzuheben. Viele Schutzgebiete unterliegen als hochwertige und attraktive Freiräume der Stadtregionen einem erheblichen Erholungs- und Freizeitdruck: Seit der Corona-Pandemie sowie der Nutzung diverser Wege-Apps ist eine deutliche Intensivierung der Erholungsnutzung auch in sensiblen Schutzgebieten zu verzeichnen.