Landschaftswandel in Stadtregionen
Dynamik und Entwicklungstrends
Landschaften verändern sich stetig – durch natürliche Prozesse ebenso wie durch menschliches Handeln. Im Umfeld wachsender Städte beschleunigen neue Formen von Mobilität, Kommunikation und Produktion sowie gesellschaftlicher Wandel und ein steigendes Lebenstempo diesen Prozess deutlich. Moderne Landwirtschaft führt zu zunehmend einheitlichen Flächenstrukturen, während durch Suburbanisierung und die Verlagerung von Gewerbe- und Industriegebieten an die Stadtränder wichtige Freiräume verloren gehen. Zugleich entstehen mit der Energiewende neue Energielandschaften, die auch städtische Regionen prägen. In Zukunft wird der Klimawandel die Entwicklung und das Erscheinungsbild unserer Landschaften noch stärker beeinflussen – und damit neue Aufgaben für Planung und Gestaltung mit sich bringen.
1. Freiraumverlust und Landschaftswandel in Stadtregionen setzen sich fort
Trotz zuletzt gesunkener Flächenneuversiegelung führen anhaltende Flächenverluste zu einem sinkenden Freiraumanteil, vor allem in prosperierenden Stadtregionen. Darüber hinaus verändern sich Landschaften durch Intensivierung und technologische Überprägung.
2. Siedlungs- und Infrastrukturausbau bleiben Haupttreiber des Landschaftswandels in Stadtregionen
Wohnungsbau, Gewerbeansiedlungen und Infrastrukturausbau sind die zentralen Motoren des Landschaftswandels und der Freiraumverluste in Stadtregionen. Dabei verläuft die Dynamik des Siedlungswachstums regional sehr unterschiedlich.
3. Industrie und Gewerbe rücken an den Stadtrand; das Verkehrsnetz wird ertüchtigt
Neue Gewerbe- und Industriegebiete entstehen zunehmend großflächig am Rand der Städte und bevorzugt in verkehrsgünstiger Lage. Der (oftmals damit verbundene) Ausbau des Verkehrsnetzes konzentriert sich vor allem auf die Ertüchtigung und Bündelung bestehender Trassen.
4. Energielandschaften sind auf dem Vormarsch
Windenergie- und Freiflächen-Photovoltaik-Anlagen prägen bisher zwar vor allem ländliche Räume. Zukünftig wird jedoch die Bedeutung regenerativer Energien auch in den Stadtregionen steigen. Insbesondere Solarparks werden die Freiraumentwicklung mitbestimmen.
5. Verlust und Vereinheitlichung landwirtschaftlicher Flächen verringern die Freiraumqualitäten
Freiraumverluste gehen zumeist auf Kosten der landwirtschaftlichen Nutzflächen. Gleichzeitig beschleunigt der agrarstrukturelle Wandel die Vereinheitlichung der Freiräume und der Landschaften. Damit gehen auch regionaltypische Qualitäten verloren.
6. Projekte zu Klimaanpassung und Klimaschutz erhöhen die Flächenkonkurrenzen
Maßnahmen zur Klimaanpassung und natürlichem Klimaschutz erhöhen den Bedarf an Flächen – etwa für Retentionsräume und den Wasserrückhalt in der Fläche oder für lokalklimatische Ausgleichsflächen. Sie verstärken – trotz durchaus positiver Synergien für andere Ökosystemleistungen – den Nutzungsdruck in Stadtregionen.
7. Freiräume stehen unter klimatischem Stress
Der Klimawandel setzt die grüne und blaue Infrastruktur von Stadtregionen selbst unter Druck. Besonders Waldökosysteme leiden unter Hitzestress und zunehmender Wasserknappheit.
8. Neue Freizeitformen verändern die Nutzung von Freiräumen
E-Mobilität und digitale Freizeitangebote erweitern den Aktionsradius der Stadtbevölkerung und verändern das Freizeitverhalten. Die Ansprüche der Erholungssuchenden wachsen, die Intensität der Freizeitnutzungen steigt – mit spürbaren Folgen in Freiraum und Landschaft.
9. Mehr Nutzung bringt auch mehr Konflikte
Die wachsende und vielfältigere Freizeitnutzung stadtregionaler Freiräume führt vermehrt zu Nutzungskonflikten – insbesondere in Schutzgebieten, landwirtschaftlich genutzten Räumen und auf gemeinsamen Wegen unterschiedlicher Nutzergruppen.
10. Freiräume geraten in Wachstumsregionen immer stärker unter Druck
Im Fazit bedeutet dies, dass der Anteil an Freiflächen in Stadtregionen kontinuierlich sinkt. Fragmentierung, Nutzungsintensivierung und Überfrequentierung mindern zunehmend ihre Qualität und ökologische Funktion. Maßnahmen zu Klimaschutz und -anpassung bringen zwar neue Freiraumqualitäten mit sich, verstärken aber den Bedarf an multifunktionalen Nutzungsansätzen.
Die Bevölkerungsentwicklung ist ein grundlegender Indikator, um einerseits den Bedarf an Wohn- und Siedlungsflächen und andererseits den Bedarf an Freiräumen einschätzen zu können. Angetrieben von weiter zunehmenden Wohnbedarfen einer – entgegen früheren Prognosen – migrationsbedingt eher wachsenden Bevölkerung und vom verstärkten Zuzug in die Ballungsräume steigen die Einwohnerzahlen in Stadtregionen (vor allem in den Metropolregionen) kontinuierlich an.
Dabei weisen allerdings die Umfelder der Metropolen und Regiopolen differenzierte Entwicklungen auf. Insbesondere in den östlichen Stadtregionen (außer Berlin) ist eine Abwanderung aus dem Umfeld in die Kernstädte zu erkennen, während in den arbeitsplatzstarken Ballungsräumen wie beispielsweise München, Stuttgart, Frankfurt, Köln oder Hamburg eine anhaltende Bevölkerungszunahme in der gesamten Stadtregion erkennbar ist. Eine steigende Bevölkerung muss aber nicht zwangsläufig zu einem markanten Anstieg der Siedlungsfläche führen, sondern kann – zumindest teilweise – auch über eine höhere Siedlungsdichte (bezogen auf die Siedlungs- und Verkehrsfläche) aufgefangen werden.
Komplementär zur Siedlungsentwicklung hat der Anteil an Freiräumen auf Bundesebene abgenommen – überproportional in Stadtregionen und vor allem in Metropolregionen. Suburbane Freiräume zeichnen sich – neben gestalterischen Defiziten – häufig durch Fragmentierung und fehlende Zugänglichkeit aus. Die Erreichbarkeit der Freiräume zu Fuß, mit dem Rad oder mit dem öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) sowie eine attraktive innere Erschließung der siedlungsnahen Freiräume stellen entscheidende Stellschrauben für die Erholungsnutzung dar. In den suburbanen fragmentierten Landschaften lassen sich durchgehende, attraktive Wegeachsen nur noch schwer realisieren. Aufgrund zahlreicher Barrieren müssen Erholungssuchende oft Umwege und Gefahrstellen in Kauf nehmen.
In den landwirtschaftlichen Gunsträumen ist eine landschaftswirksame Intensivierung der Bewirtschaftung durch Folienanbau, Gewächshäuser und feste Installationen, zum Beispiel für Beregnung und Hagelschutz, festzustellen. Kleinteilige landwirtschaftliche Nutzungsmischungen verlieren in den Stadtregionen weiter an Boden, wenngleich innovative Formen urbaner Landwirtschaft punktuell auch gegenläufige Akzente setzen. Der schleichende Prozess des landwirtschaftlichen Strukturwandels trägt erheblich zum Landschaftswandel in vielen Stadtregionen bei; die Geschwindigkeit scheint sich jedoch in den vergangenen Jahren zu verlangsamen.
Die Landwirtschaft ist jedoch nicht nur eine Verursacherin, sondern auch eine Verliererin des Landschaftswandels. Der überwiegende Teil der Neuerschließungen von Bauflächen geht auf Kosten der landwirtschaftlichen Nutzfläche – und hier zuallererst der intensiv genutzten Ackerflächen und Intensivgrünländer. Auf diesen Flächen können Ausgleichsbedarf und Raumwiderstand in den Planverfahren reduziert werden. Weitere Produktionsflächen werden der Landwirtschaft über den landschaftspflegerischen Ausgleich entzogen. Der Verlust landwirtschaftlicher Flächen ist dabei nicht nur in den Stadtregionen, sondern auch in ländlichen Regionen nachvollziehbar.
Der Ausbau der erneuerbaren Energien orientierte sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten an den Rahmenbedingungen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) und seinen Novellierungen. Das darin formulierte Ziel, die Energieversorgung von fossilen Energieträgern auf erneuerbare Energiequellen umzustellen, wurde angesichts des beschleunigten Klimawandels, des vorgezogenen Ausstiegs aus der Kernenergie und der Verteuerung fossiler Energieträger weiter priorisiert und vorangetrieben. Der Anteil des aus erneuerbaren Energien produzierten Stroms stieg von 6 % im Jahr 2000 auf 42,8 % im Jahr 2021 (Bundesnetzagentur 2023), wobei Windenergie den wichtigsten regenerativen Energieträger darstellt.
Die landschaftliche Wirksamkeit der Windanlagen hat infolge steigender Nabenhöhe und Rotordurchmesser kontinuierlich zugenommen. Aufgrund der hohen Dichten an Windkraftanlagen können schon über 16 % der Fläche Deutschlands als Windenergielandschaften bezeichnet werden. In den Stadtregionen ist die Ansiedlungsdynamik gegenüber den ländlichen Räumen bisher deutlich geringer, da die gesetzlich einzuhaltenden Siedlungsabstände die Ausweisung von Eignungsräumen erschweren. In regiopolitanen Stadtregionen verläuft die Entwicklung allerdings wesentlich lebhafter als in den metropolitanen Stadtregionen.
Die Ansiedlung von Freiflächen-Photovoltaik-Anlagen (FF-PV-Anlagen) ist in der Regel nicht so großräumig im Landschaftsbild wirksam, besitzt aufgrund der flächigen Ausbildung und Einzäunung der Anlagen aber einen stärker zerschneidenden Effekt auf die Freiräume.
Aufgrund der hohen Flächenkonkurrenzen in Stadtregionen liegen die Schwerpunkte des Ausbaus bisher im ländlichen Raum sowie in einzelnen Stadtregionen mit hohem Anteil an Konversionsflächen wie Cottbus, Leipzig/Halle und Berlin-Brandenburg. In Zukunft ist auch in den Stadtregionen mit einer Ansiedlung in größerem Ausmaß zu rechnen, insbesondere in privilegierten Zonen entlang der Verkehrswege. Neue Entwicklungen wie die Agri-Photovoltaik lassen eine Koexistenz von Energieproduktion und bestimmten Formen der Landwirtschaft zu.
Die Dynamik der Fragmentierung von Landschaften durch neue Verkehrstrassen hat sich in den vergangenen 20 Jahren zugunsten des Ausbaus und der Bündelung vorhandener Verkehrswege verringert. Zusammenhängende, unzerschnittene Freiräume sind als lärmarme, von geringer Verkehrsbelastung geprägte Landschaften gerade am Rand von Verdichtungsräumen von einer besonderen, da selten gewordenen Qualität.
Die Berechnung der kleinflächigeren zusammenhängenden Freiräume (zwischen 10 km² und 100 km²) zeigt, dass diese in den Randzonen der Stadtregionen durchaus auftreten. Auffallend ist der geringe Anteil unzerschnittener Freiräume in den Stadtregionen Westdeutschlands, im Vergleich zu den Stadtregionen Nord- und Nordostdeutschlands. Allerdings basiert die Berechnung nicht auf der Verkehrsbelastung der Straßen, sondern auf der Klassifikation der Straßen (analog IÖR-Monitor), wodurch länderspezifische Verzerrungen möglich sind. Insgesamt sind zusammenhängende Freiräume in Stadtregionen jedoch deutlich seltener als in den ländlichen Räumen.
Der Vergleich der gemittelten sommerlichen Lufttemperaturen (Juni bis August) in den Jahren 2000 bis 2005 mit den Jahren 2018 bis 2023 verdeutlicht den fast flächendeckenden Temperaturanstieg in Deutschland um 0,75 °C bis 1,75 °C (eigene Berechnungen auf Grundlage der Daten des DWD 2024). Die höchsten Zunahmen (bezogen auf die beiden verglichenen Zeiträume) ergeben sich dabei eher großräumig für die östlichen Bundesländer. Insgesamt ist in den metropolitanen und regiopolitanen Regionen ein höheres durchschnittliches Temperaturniveau zu verzeichnen als in den ländlichen Regionen.
Die Stadtregionen in den bioklimatischen Belastungsgebieten sind besonders von Hitzeperioden und Hitzetagen betroffen: Vor allem das Oberrhein- und Rhein-Main-Gebiet sowie die Stadtregionen im Norden Bayerns (Würzburg, Nürnberg, Regensburg) erreichen hohe Zahlen an Heißen Tagen. Aufeinanderfolgende Hitzetage tragen, in Kombination mit Luftschadstoffen und Ozonbildung, zu einer erhöhten gesundheitlichen Belastung der Bevölkerung bei.
Generell ist in den urbanen Kernzonen der Stadtregionen aufgrund der hohen Versiegelungsgrade und der Aufheizung der Gebäudekubaturen ein Wärmeinseleffekt zu beobachten. Umso mehr gewinnt die Ausgleichsfunktion siedlungsnaher klimawirksamer Freiräume durch Kalt- und Frischluftentstehung, Luftaustauschbahnen und Verdunstung an Gewicht.

Durchschnittliche Anzahl von Heißen Tagen pro Jahr in den Jahren 2000-2005
Durchschnittliche Anzahl von Heißen Tagen pro Jahr in den Jahren 2018-2023
Veränderung der durchschnittlichen Anzahl von Heißen Tagen pro Jahr in den Jahren 2000-2005 und 2018-2023
Entwicklung der durchschnittlichen Anzahl von Heißen Tagen pro Jahr in den Jahren 2000-2005 und 2018-2023






