Kooperative Arbeitsformate und Beteiligungsformate
Für die Bewältigung der Koordinations- und Kooperationsaufgaben eines Regionalparks ist der Aufbau starker Akteursnetzwerke entscheidend. Diese Netzwerke spielen sowohl auf konzeptioneller Ebene als auch bei der kooperativen Projektentwicklung und der Moderation von Nutzungskonflikten eine zentrale Rolle. Angesichts des dynamischen Landschaftswandels und der Vielzahl beteiligter Akteure ist eine kontinuierliche Pflege und Weiterentwicklung dieser Netzwerke unerlässlich.
Um räumliche Entwicklungsziele und thematische Handlungsfelder gezielt voranzubringen und in gemeinsam getragenen Projekten umzusetzen, bieten Akteursdialoge, kreative Beteiligungsformate und Kooperationen die Möglichkeit, freiraumbezogene Nutzungskonflikte konstruktiv zu bearbeiten und praxisnahe Lösungsansätze zu entwickeln.
So entsteht Regionalentwicklung nicht als reines Top-down-Konzept, sondern als lernender Aushandlungsprozess über die Entwicklungspotenziale im Raum. Der Regionalpark übernimmt dabei die Rolle eines Koordinators, Impulsgebers und Moderators im Austausch mit den Landschaftsakteuren.
Der Aufbau von Akteursnetzwerken braucht einen langen Atem. Viele Regionalparks konnten auf die Netzwerke der beteiligten Kommunen und der Regionalverbände zurückgreifen und diese in Bezug auf die Freiraumthemen erweitern. Beim Aufbau der strategischen Grundlagen und bei der Projektentwicklung kann das Netzwerk der Landschaftsakteure sukzessive erweitert werden. Im Idealfall bilden sich aus dem Akteursnetzwerk dauerhafte Kooperationen und Arbeitsgruppen, die sich aktiv für die Gestaltung der Landschaft engagieren und interdisziplinär zusammenarbeiten.
Grüner Ring Leipzig:
Akteursnetzwerk „Biotopverbund Leipzig“
Bereits 1998 gründeten sich im Grünen Ring Leipzig (GRL) erste Arbeitskreise, um die im ersten regionalen Handlungskonzept verankerten Projekte umzusetzen. Impulsgeber war vor allem die Stadt Leipzig, die mit bürgeroffenen Stadt-Umland-Konferenzen Kommunen, Unternehmen, Planungsbüros und Vereine zur Mitarbeit aktivierte.
Heute arbeiten bis zu 6 offene Arbeitsgruppen – zu den Themen Gewässer, Landschaft, Landwirtschaft, interkommunales Flächenmanagement, touristische Infrastruktur und Umwelttechnologie – an fachlichen Schwerpunkten der Stadtregion. Die Leitenden dieser Gruppen stimmen sich regelmäßig in einer AG-Leiterrunde (heute: Kernteam) mit der GRL-Geschäftsstelle und dem GRL-Sprecherteam ab. Im Mittelpunkt stehen die spezifischen Herausforderungen der Leipziger Stadtregion: die Rekultivierung der Tagebaulandschaft, die Entwicklung des Gewässernetzes, die Erschließung des Umlands für die Naherholung sowie der Umgang mit dem hohen Anteil landwirtschaftlicher Flächen.
Seit 2010 liegt der Schwerpunkt der Arbeitsgruppen auf dem Informationsaustausch, während die konkrete Projektarbeit in projektbegleitenden Gruppen erfolgt, die beim Amt für Stadtgrün und Gewässer angesiedelt sind. Angesichts neuer Herausforderungen werden die sechs bisherigen Gruppen künftig zu vier Themenbereichen – Wasser, Landschaft, Landwirtschaft und touristische Infrastruktur – zusammengeführt, die von Themenverantwortlichen koordiniert werden. Diese bearbeiten derzeit elf Schlüsselprojekte, von denen viele themenübergreifend relevant sind.
Über die Jahre haben die Arbeitsgruppen des Grünen Rings mit der kontinuierlichen logistischen und organisatorischen Unterstützung der Stadt Leipzig eine Vielzahl von Projekten entwickelt und umgesetzt.
Um räumliche Entwicklungsziele und thematische Handlungsfelder gezielt voranzubringen und in gemeinsam getragenen Projekten umzusetzen, bieten gezielt initiierte Akteursdialoge den passenden Rahmen. In diesen Dialogen können freiraumbezogene Nutzungskonflikte offen diskutiert und modellhafte Handlungsoptionen entwickelt werden. Die Aushandlung von Entwicklungs- und Gestaltungspotenzialen im Raum erfolgt über einen gemeinsamen Lernprozess. Der Regionalpark setzt die dafür erforderlichen Impulse, koordiniert und moderiert den Austausch mit den Landschaftsakteuren. Je nach Bedarf bereitet der Regionalpark die erforderlichen fachlichen Grundlagen zu Freiraum- und Landschaftsstrukturen, Nutzungsdynamiken und Konfliktlagen vor, um einen zielgerichteten Dialog zu ermöglichen.
Regionalpark Rhein-Neckar:
Akteursdialog zum Projekt „ALTNeckarschlingen – NEU entdecken“
Im Fokus dieses Landschaftsdialogs standen die Altneckarschlingen, ein Relikt des eiszeitlichen Neckarlaufs im heutigen Hessischen Ried. Aufgrund ihrer Landschaftsgeschichte und ökologischen Eigenschaften besitzen sie ein hohes Potenzial für Klimaanpassung, Biodiversität und den Wasserrückhalt, sind zugleich aber durch Landwirtschaft, Infrastruktur, Energie und Erholung stark beansprucht. Ziel war die Entwicklung eines Aktionsplans, der zwischen Leitbild und Umsetzung vermittelt und konkrete Impulse für die Zukunft setzt.
Auf Grundlage umfangreicher Analysen fanden mehrere Dialogformate auf unterschiedlichen Ebenen statt – vom Auftaktworkshop mit rund 40 Akteurinnen und Akteuren aus Verwaltung, Landwirtschaft, Naturschutz und Zivilgesellschaft bis hin zu einem Wissensspaziergang vor Ort und bilateralen Projekttischen mit Landwirtschaft und Naturschutz. Über das Regionalparkforum wurden die Ergebnisse in einen regionalen Diskurs eingebettet.
Ziel ist es, die Altneckarschlingen als Modellraum für multifunktionale Landschaftsentwicklung zu etablieren. Dafür sollen auch formale Planungsinstrumente, insbesondere der Einheitliche Regionalplan Rhein-Neckar, weiter geschärft werden, um den Raum länderübergreifend zukunftsfähig auszurichten.
Die komplexen und heterogenen Freiraumsituationen in Stadtregionen erfordern für die Umsetzung konzeptioneller Vorgaben interdisziplinäre fachliche Unterstützung und kreative Ansätze, um innovative, praxisgerechte und akteursbezogene Lösungen zu entwickeln. Kooperative Werkstätten bieten dafür den passenden Rahmen: Sie ermöglichen den Einbezug externer Expertise und fördern einen intensiven fachlichen Austausch. Je nach Zielsetzung können sie ergebnisorientiert – etwa als mehrtägige Wettbewerbsformate – oder offen und impulsgebend als Plattform für unterschiedliche fachliche Perspektiven angelegt werden.
Pilotprojekt Grünzug E:
Kooperative Ideenwerkstatt zur Freiraumentwicklung
Der Regionalverband Ruhr (RVR) verfolgt mit dem Pilotprojekt Grünzug E die strategische Weiterentwicklung der Grünzugkulisse der Metropolregion Ruhr – über den Emscher Landschaftspark hinaus. Das Projekt dient als Blaupause für andere Grünzüge des Regionalverbands.
Zentrales Element war eine viertägige kooperative Ideenwerkstatt, die auf der konzeptionellen GreenVision aufbaute. Ziel war es, innovative und übertragbare Lösungsansätze für typische Herausforderungen innerhalb des Grünzugs zu entwickeln. Dabei standen die Qualifizierung des Grünzugs zu einem zusammenhängenden, multifunktionalen Erlebnisraum sowie der Umgang mit Nutzungskonflikten im Mittelpunkt.
Mehrere interdisziplinäre Planungsteams bearbeiteten unterschiedliche Teilräume und stimmten sich regelmäßig über ihre Zwischenergebnisse ab. Der Werkstattprozess begann mit einer fachlich begleiteten Exkursion durch den Grünzug. Während der Arbeitsphasen wurden die Teams von Fachleuten aus Verwaltung, Landwirtschaft und Naturschutz unterstützt. Eine externe Projektbegleitung übernahm Organisation und Moderation, während ein Empfehlungsgremium die Entwürfe fachlich bewertete und Impulse für die Weiterentwicklung gab. Auf eine Rangfolge oder Prämierung wurde bewusst verzichtet, um den kooperativen Charakter des Verfahrens zu betonen. Die teilnehmenden Planungsteams erhielten eine Aufwandsentschädigung entsprechend ihrer zeitlichen Beanspruchung und Aufgabenstellung. Die Ideenwerkstatt erarbeitete keine abschließenden Planungen, sondern Lösungsansätze, die flexibel auf unterschiedliche Raum- und Akteurskonstellationen übertragbar sind. Aufbauend auf diesen Ergebnissen erarbeiten der RVR und die beteiligten Kommunen eine Umsetzungsstrategie, die sowohl konkrete Freiraumprojekte ermöglicht als auch eine kohärente Entwicklung des Grünzugs E sicherstellt.
Landschaftspark Stuttgart:
Think Tank als freies Expertenformat
zur Qualifizierung des Naherholungskonzepts
Um neue Impulse für das Naherholungskonzept der Region Stuttgart zu gewinnen, initiierte der Landschaftspark Region Stuttgart ein extern moderiertes Think-Tank-Format. Eingeladen waren fünf Expertinnen und Experten mit ganz unterschiedlichen Perspektiven auf das Thema Erholung – darunter ein Wanderblogger, ein Professor für Städtebau, eine Reisejournalistin, ein Standortentwickler sowie ein Planungsbüro für Tourismus- und Regionalentwicklung.
Nach einer Einführung in den aktuellen Stand der Naherholungskonzeption arbeiteten die Teilnehmenden in einem Open-Space-Format zu den Themenfeldern „Handlungsfelder und Akteure“, „Kommunikation und Vermarktung“ sowie „Weiterentwicklung und Follow-up“. In diesem offenen Rahmen konnten Fragen, Ideen und Lösungsansätze zur stadtregionalen Erholung gemeinsam entwickelt und diskutiert werden. Ein abschließender Gallery Walk diente der Präsentation und Strukturierung der Ergebnisse, die anschließend über ein graphical recording zu einer Chancenkarte verdichtet wurden.
Der freie Austausch sehr unterschiedlicher Perspektiven brachte lebendige Diskussionen hervor und lieferte innovative Anregungen und Denkanstöße für die Weiterentwicklung des Naherholungskonzepts in der Region Stuttgart.
Die Zusammenarbeit mit Hochschulen ermöglicht einem Regionalpark einen fruchtbaren und für beide Seiten wertvollen Austausch. Die Hochschule kann fachliche Expertise, Best Practice oder innovative und unkonventionelle Ideen in Konzeptionen, Dialoge und Projekte des Regionalparks einbringen, profitiert andererseits von konkreten und praxisnahmen Fragestellungen, die eine realitätsnahe Forschung erlauben und auch den Studierenden Möglichkeiten konkreter und ortsbezogener Arbeits- und Studienprojekte bieten.
Regionalpark Rhein-Neckar: Ideenwerkstatt mit Studierenden
zum Projekt „ALTNeckarschlingen – NEU entdecken“
Eine Ideenwerkstatt mit Studierenden der Frankfurt University of Applied Sciences (AUS) und der SRH University Heidelberg brachte zusätzliche Impulse in den Arbeitsprozess zu den Alteckarschlingen. In einem Seminar an der Frankfurt UAS stand die rechtsrheinische Rheinebene als landschaftlicher Gesamtraum im Fokus. Acht Projektgruppen entwickelten Ansätze zu Themen wie blau-grüne Infrastruktur zur Klimaanpassung, regionale Landwirtschaft, Grund- und Brauchwassernutzung, Naherholung, Landschaftskommunikation und Bürgerbeteiligung. Die Präsentationen am 19. Februar 2025 im Stadthaus Mannheim wurden als Dialogformat mit Vertreterinnen und Vertretern aus Kommunen, Landwirtschaft, Wasserwirtschaft und Fachverwaltungen gestaltet. Die Entwürfe der Studierenden eröffneten ungewöhnliche Perspektiven auf Themen wie wassersensible Landschaftsentwicklung, Wälder im Wandel, nachhaltige Landwirtschaft und zielgruppenorientierte Naherholung.
Regionalverband Ruhr:
Pilotprojekt Grünzug E
Studierende des Masterstudiengangs Landschaftsarchitektur am Sustainable Campus Höxter der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe (TH OWL) setzten sich – parallel zum Pilotprojekt Grünzug E – mit dem regionalen Grünzug C auseinander. Unter dem Leitthema „Grüne Kooperationen – Kooperatives Grün“ sollten die zehn Leitziele der GreenVision für den Grünzug C exemplarisch konkretisiert und in umsetzungsfähige Ideen übersetzt werden. Jede Studierendengruppe arbeitete ein Leitziel besonders intensiv aus, führte eigene räumliche Analysen durch und entwickelte methodisch eigenständige Lösungsansätze. Diese Fokussierung ermöglichte tiefgehende Einsichten, die zeigten, dass innerhalb der Grünzüge unterschiedliche Leitziele priorisiert werden können.
In vielen Regionalparks beschränkt sich die Beteiligung der Bürgerschaft bislang auf Information und Öffentlichkeitsarbeit zu stadtregionalen Erholungsangeboten und Projekten des Regionalparks. Digitale Beteiligungstools eröffnen inzwischen neue Möglichkeiten, die Bevölkerung direkter einzubeziehen – etwa durch das Einbringen eigener Ideen, Projektvorschläge oder inhaltlicher Positionen im Dialogprozess. So kann die Distanz zwischen regionalem Management und engagierten Bürgerinnen und Bürgern verringert und der Dialog über Freiraumentwicklung gestärkt werden. Gleichzeitig entstehen dadurch neue Erwartungen, da viele Bürgerinnen und Bürger ihr Engagement auch in konkrete Projekte umgesetzt sehen möchten.
Landschaftspark Stuttgart:
Online-Beteiligung zur regionalen Naherholungskonzeption
Mit der Entwicklung einer regionsweiten, dialogbasierten Naherholungskonzeption rückt der Landschaftspark Region Stuttgart erstmals vom bisherigen Ansatz der teilregionalen Masterpläne ab. Dazu wurde erstmals eine zweimonatige Onlinebefragung mit interaktiver Karte gestartet, um die Bürgerschaft direkt einzubeziehen. So konnten zahlreiche Projektideen und Impulse für die Gestaltung von Alltagslandschaften gewonnen werden – oft mit dem Fokus auf die Qualifizierung bestehender Infrastrukturen statt auf neue Angebote.
In Abstimmung mit den beteiligten Kommunen wurden mehrere Pilotprojekte aus den ermittelten Handlungsfeldern priorisiert. Als zentrale Qualitätskriterien einer nachhaltigen Naherholungskonzeption nannten die Teilnehmenden: nachhaltige Mobilität, ökologische und klimaangepasste Gestaltung, multifunktionale Entwicklung, neue Trägerschaftsmodelle, Freizeitlenkung und Umweltbildung sowie zeitgemäße Kommunikationsformate.






